Kundenzufriedenheit richtig messen

 

 

25.08.2023 | Dr. Ottmar Franzen

 

In einer Zeit zunehmenden Wettbewerbs und einer Inflationierung der Marken-Touchpoints, kommt der Kundenbindung eine entscheidende Bedeutung für den Markterfolg von Unternehmen zu. Ist die Beziehung zwischen Kunden und Anbieter stabil, ist auch die Geschäftsbeziehung weitgehend immun gegen kurzfristig wirkende Wettbewerber-Aktivitäten. Vertrauen und die permanente Pflege der Kundenbeziehung gewährleisten die Bindung an das Unternehmen.

Die Erfahrung zeigt, dass zwischen der Einschätzung der Kundenerwartungen durch das Management und den tatsächlichen Anforderungen seitens der Kunden große Unterschiede bestehen können. Häufig setzt das Management in Unkenntnis auf die falschen Maßnahmen. Mit der Konsequenz, dass der gewünschte Erfolg ausbleibt oder nur zu einem Teil erreicht wird, weil die Aktivitäten für den Kunden entweder nicht relevant sind oder aber nicht ausreichend stark umgesetzt werden.

Insofern hat sich eine laufende Kontrolle und Steuerung der Kundenbeziehung, ein Kunden-Controlling, als notwendige Ergänzung der klassischen Marktforschung längst etabliert und wird praktisch als Standard eingesetzt. Man kann sogar von einer Inflationierung von Kundenbefragungen sprechen, die aufgrund ihrer Fülle schon kontraproduktiv wirken. Typischerweise setzen sie an dem gerade erlebten Kundenkontakt an („Bewerten Sie Ihre heutige Fahrt!“, „Wie war das eben geführte Telefonat?“ usw.).

Der Begriff „Kunde“ wird im Kontext der Kundenzufriedenheit wenig differenziert verwendet. „Kunde“ sieht man oft synonym mit Käufer oder Nutzer. In welcher Hinsicht unterscheidet sich ein Kunde, eine Kundin, vom Käufer oder Nutzer eines Produktes oder eine Dienstleistung? Entscheidend für die Eigenschaft als Kunde ist, dass eine auf Langfristigkeit zielende Geschäftsbeziehung vorliegen muss.

Insofern ist es ein Erfolgsfaktor für die Messung von Kundenzufriedenheit, bestimmte Kundengruppen differenziert zu betrachten und ggf. mit einem individuellen Themenkatalog und auch in unter-schiedlicher Frequenz zu befragen:

  • Erst- bzw. Neukunden
  • Bestandskunden
  • Je nach Bedeutung für das Unternehmen A-, B- oder C-Kunden
  • Ehemalige Kunden

Bei Erst- oder Neukunden sind Themen relevant, die den aktuellen Eindruck der Kundenbeziehung und vor allem die Motivation für die Aufnahme der Geschäftsbeziehung beleuchten. Liegt ein erstmaliger Bedarf vor, oder wurde von einem anderen Anbieter gewechselt? Was sind die ausschlaggebenden Gründe für die Wahl des eigenen Unternehmens, was lief ggf. beim vormaligen Unternehmen nicht so gut?

Die Masse der Kunden sind Bestandskunden. Sie können die Kundenbeziehung aus einer langfristigen Perspektive heraus bewerten. Ferner kennen sie die Leistungen des Unternehmens sowie seine Angebote relativ genau und sie sind in der Regel bereit, ein ausführlicheres Interview zu beantworten. Befragungen bei Bestandskunden sollten in einem festen Rhythmus, z. B. jährlich erfolgen.

Im Rahmen der Bestandskundenbefragungen macht eine Unterscheidung zwischen weiteren Kundenkategorien Sinn, z.B. A-, B- oder C-Kunden. Sie haben eine unterschiedlich starke Bedeutung für das Unternehmen und haben numerisch gesehen unterschiedlich hohe Anteile am Kundenstamm.

Auch ehemalige Kunden liefern spannende Insights für das Unternehmen. Wie entwickelt sich die Anzahl von abgewanderten Kunden? Welches sind die Gründe, die Kundenbeziehung aufzugeben? Hier reichen bereits einige wenige Fragen, um Klarheit über die aktuellen Schwächen des Unternehmens zu erhalten.

Kundenbefragungen stellen eine Ergänzung des Beschwerdemanagements und der Messung von Erfolgs-KPIs dar. Beschwerden geben zwar einen Hinweis auf Probleme in der Produkt-, Dienstleistungs- oder Betreuungsqualität eines Unternehmens, sie erfolgen aber nur anlassbezogen. Hinzukommt, dass die meisten unzufriedenen Kunden sich nicht beschweren, sondern gleich zum Wettbewerb wechseln.

Erfolgs-KPIs reagieren oftmals nicht zeitkritisch genug und sind multikausal. So können zurückgehende Umsätze sowohl ein Indikator für eine nachlassende Zufriedenheit, als auch für einen sinkenden Bedarf oder eine höhere Attraktivität des Wettbewerbers sein. Bei den Erfolgs-KPIs ist darauf zu achten, dass sie alle Facetten der Kundenbindung erfassen. Nur die Kundenzufriedenheit zu messen, reicht nicht aus. Für den Erfolg des Unternehmens ist eher relevant, ob Kunden z. B. bereit sind, auch langfristig Leistungen in Anspruch zu nehmen und ob sie das Unternehmen weiterempfehlen würden. Gerade der letzte Aspekt, ausgedrückt im Net Promotor Score (NPS) hat sich als gängige Controlling-Größe für die Kundenbindung bewährt.

Insofern kommt regelmäßig durchgeführten Messungen zur Kundenzufriedenheit eine wichtige Funktion zu, insbesondere um das Management des Unternehmens weiter optimieren zu können. Oft zeigt sich dabei, dass zwischen der Einschätzung der Kundenerwartungen durch das Management und den tatsächlichen Anforderungen große Unterschiede bestehen.


Eine Kundenzufriedenheitsbefragung sollte die folgenden Informationen liefern:

  • Wie stark sind die Kunden an das Unternehmen gebunden?
  • Welche Faktoren beeinflussen die Kundenbindung?
  • Mit welchen Aktivitäten kann die Kundenbindung am effektivsten gesteigert werden?
  • Entspricht das Selbstbild des Unternehmens der Kundenwahrnehmung, d.h. werden eigene Stär-ken und Schwächen auch von den Kundinnen und Kunden also solche wahrgenommen?
  • Wie effektiv erfolgt die kundenbezogene Kommunikation?

 

Erfahrungsgemäß sollten möglichst alle Kunden des Unternehmens die Chance haben, an der Befragung teilzunehmen. Man spricht hier von einer sogenannten „Vollerhebung“ im Gegensatz zu einer „Stichprobenerhebung“, in der nur eine repräsentative Teilmenge der Kunden befragt wird.

Je nach Standort der Kunden kann dies eine Herausforderung bedeuten. Nicht jeder Kunde hat Zugang zu einem Rechner oder ein Festnetz-Telefon am Arbeitsplatz.

Ferner ist es von Vorteil, wenn die Beantwortung der Fragen mit Abstand, in Ruhe erfolgen kann. Daher ist einer webgestützten Onlinebefragung der Vorzug zu geben, weil sie einen höchstmöglichen Persönlichkeitsschutz sicherstellt und gleichzeitig mit mobilen Devices von jedem beliebigen Ort aus beantwortet werden kann. Die zu befragenden Kundinnen und Kunden erhalten per E-Mail einen Umfragelink oder per personalisiertem Brief einen QR-Code, über den sie den Fragebogen öffnen können. Dabei sollte der begleitende Text zur Teilnahme motivieren, auf die Zielsetzung der Untersuchung Bezug nehmen und mögliche Datenschutzbedenken im Vorfeld ausräumen.

 

Wichtige Zielgrößen: Globalzufriedenheit und NPS

Grundlage zur regelmäßigen Kontrolle der Zufriedenheitsermittlung sollte eine gesamthafte und leicht zu erhebende Zielgröße sein. Hierzu bieten sich zum einen die Globalzufriedenheit und zum anderen der NPS (Net Promotor Score) an. Beide Werte werden idealerweise auf einer zehnstufigen Zustimmungsskala abgefragt.

Die Globalzufriedenheit basiert auf der Abfrage nach der Zufriedenheit mit dem Unternehmen insgesamt. Hierbei lassen sich die Durchschnittsnote sowie der Prozentanteil der Zustimmungen mit der Maximalnote 10 ausweisen.

Zur Ermittlung des Net Promoter Score (NPS) werden die Kundinnen und Kunden gefragt, wie wahrscheinlich sie das Unternehmen weiterempfehlen würden. Der NPS bildet den Saldo des Prozentan-teils der sogenannten „Promotoren“ (Zustimmungswerte 9 und 10) minus dem der sogenannten „Kritiker“ (Zustimmungswerte von 1 bis 6). Er hat sich als ein sehr feinfühliger Seismograph für die Kunden erwiesen, ist leicht messbar und es existieren weltweit gültige Benchmarks. Ein weiterer interessanter Indikator ist der Customer Effort Score (CES), bei dem nach dem Aufwand für eine Lösung eines Anliegens gefragt wird.

 

Erst Treiberanalyen heben das gesamte Potenzial von Kundenbefragungen

Wichtiges Element einer Kundenzufriedenheitsmessung ist die Treiberanalyse. Dabei werden die Ursachen für die Kundenbindung im Rahmen der Befragung mit Hilfe von statistischen Modellen (Regressions- oder Korrelationsanalysen) ermittelt.

Vereinfachende Annahmen gehen davon aus, dass sich die Gesamt-Zufriedenheit additiv aus der Zufriedenheit mit den Einzelleistungen ergibt. Im Rahmen einer Treiberanalyse werden die Bedeu-tungsgewichte der Einzelleistungen aus neutraler Perspektive ermittelt. Fragt man direkt nach der Wichtigkeit einzelner Leistungen, neigen die Befragten dazu, alle Leistungen als relativ wichtig einzustufen. Rational begründbare Leistungen, etwa das Preisniveau oder Konditionen, werden i.d.R. wichtiger beurteilt als „weiche“ Beurteilungsgrößen, wie die Erreichbarkeit des Service oder die Freundlichkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Treiberanalyse hilft damit, sich auf die wirklich wichtigen Aspekte für die Bindung der Kunden zu fokussieren. Dabei sind solche Treiber kurzfristig anzugehen, mit denen die Kundinnen und Kunden nur unterdurchschnittlich zufrieden sind. Erfahrungsgemäß betrifft dies insbesondere die Dienstleistungsqualität und die Kommunikation seitens der Unternehmen und eben nicht Preise und Konditio-nen.

 

Häufige Fehler bei Kundenzufriedenheitsbefragungen

Nicht professionell konzipierte Befragungen können viel Porzellan zerschlagen. Der schlimmste Effekt ist, dass Kunden ihre Teilnahme verweigern und aufgrund der schlechten Umsetzung auf ein generell niedriges Qualitätsniveau des Unternehmens schließen. Unternehmen mit Profi-Anspruch müssen diesen auch bei Kundenbefragungen glaubhaft umsetzen.

Dabei sollten die folgenden, häufig zu beobachtenden Fehler vermieden werden:

  • Mangelhaftes Design: Eine gute Optik und ein klarer Aufbau der Befragung sind das A+O. Mit einer freien Befragungssoftware, wie Survey Monkey, zu arbeiten ist ok, aber man darf sich keine handwerklichen Fehler erlauben. Der Zwang, Antwortfelder zu füllen, auch wenn es für den Befragten keinen Sinn macht, oder Systemabstürze aufgrund fehlerhafter Programmierung sind ein absolutes No Go!
  • Fehlende Verbindlichkeit: Aus der Befragung folgen keine Konsequenzen, es werden keine Maßnahmen für die Kunden erlebbar umgesetzt. Die Umfrageergebnisse wandern in die Schublade. Dann fragen sich die Kundinnen und Kunden zu Recht, warum sie ihre Zeit für eine Umfrage opfern sollen
  • Unzureichendes Verständnis der Fragen: Einige Fragen können zu unklar oder zu komplex sein, was dazu führen kann, dass die Befragten sie nicht richtig verstehen und somit keine hilfreichen Antworten liefern
  • Kein Vertrauen in den Datenschutz: Kunden trauen sich nicht, offen und ehrlich zu antworten, wenn sie Angst haben, dass ihre Antworten gegen sie verwendet werden könnten. Kontaktaufnahmen mit unzufriedenen Kunden sind nur dann statthaft, wenn sie ausdrücklich darum gebeten haben
  • Unzureichende Auswertung: Wenn die Auswertung der Befragung nicht gründlich durchgeführt wird. Wird z. B. auf eine differenzierte Auswertung nach den oben aufgelisteten Kundenarten oder Geschäftsbereichen verzichtet, können wichtige Erkenntnisse übersehen werden

 

Empfehlungen

Regelmäßige Befragungen zur Kundenzufriedenheit sind ein entscheidender Baustein in der Unternehmensstrategie. Welche Empfehlungen lassen sich aus unseren Erfahrungen mit Kundenbefragungen ableiten?

  1. Es ist wichtig, die Befragungen inhaltlich auf eine breite Basis zu stellen, am besten auf der Basis eines interdisziplinär zusammen gestellten Fragebogen-Workshops. Dies macht die unterschiedlichen Abteilungen und Bereiche des Unternehmens zu Beteiligten und stellt sicher, dass das individuelle Geschäftsmodell ausreichend berücksichtigt wird. Wichtig ist auch, von Anfang an die Datenschutzbeauftragten in den Prozess zu involvieren
  2. Zu einer breiten Themenbasis gehört eine Berücksichtigung der persönlichen Voraussetzungen. Wie sind die Sprachkompetenzen bei den Kundinnen und Kunden aufgestellt? Reicht ein Interview in deutscher Sprache oder haben fremde Sprachen eine Relevanz im Kundenkreis? Online-Befragungen bieten den Vorteil, dass im Vorfeld die Sprache ausgewählt werden kann, in der die Befragten sich heimisch fühlen
  3. Eine Befragung nur mit normierten Standardfragen geht an der täglichen Realität der Befragten vorbei und senkt die Mitmachbereitschaft. Der Fragebogen muss die individuelle Handschrift des Unternehmens tragen und Aspekte abprüfen, die einen ganz konkreten Unternehmensbezug haben und die Kunden in ihrer spezifischen Situation abholen. Dann werden auch lange Fragebogen mit Engagement beantwortet
  4. Eine Zufriedenheitsbefragung ohne Treiberanalyse macht keinen Sinn. Nur wenn man weiß welche einzelnen Aktivitäten am stärksten auf die Kundenbindung einzahlen, kann man einen effektiven Maßnahmenkatalog ausarbeiten
  5. Nach dem Abschluss der Befragung müssen kurzfristig Maßnahmen erfolgen und umgesetzt werden. Nur dann erscheint das Unternehmen glaubwürdig. Als erste Maßnahme bietet sich immer die breite Kommunikation der Hauptergebnisse (und nicht nur der positiven!) in den Medien des Unternehmens an. Denkbare Medien sind Kundenzeitschriften oder die Homepage. Auch die Mitarbeiter des Unternehmens müssen in Umsetzungsworkshops oder Mitarbeiterversammlungen, auf denen die Ergebnisse vorgetragen werden, involviert werden. Sie sind an der Schnittstelle zum Kunden und sollen die empfohlenen Maßnahmen umsetzen
  6. Eine Kundenzufriedenheitsbefragung sollte regelmäßig wiederholt werden. Nur dann kann überprüft werden, ob die ergriffenen Maßnahmen zielgerichtet waren. Die Frequenz richtet sich nach der Geschwindigkeit der Veränderungsprozesse im Unternehmen: von einmal pro Jahr bis zu alle 3 bis 5 Jahre

 

Zusammenfassung

Befragungen zur Kundenzufriedenheit sind ein wertvolles Instrument zur Kundenbindung und zur Optimierung der Kundenansprache. Sie sollten daher zum Standardrepertoire aller Unternehmen zählen. Regelmäßig und methodisch korrekt durchgeführt, sind sie ein Seismograph für die Befindlichkeit des Unternehmens und weisen auf Schwachstellen hin, bevor diese im Markt deutlich sichtbar werden. Der NPS und die Treiberanalyse sind dabei wichtige Indikatoren.

Erfolgsfaktoren für Kundenbefragungen sind eine individuelle Formulierung der Fragen und Themen, die die spezifische Situation des Unternehmens reflektieren und eine konsequente Umsetzung der Erkenntnisse aus den Ergebnissen.

 

 

Ihr Ansprechpartner Dr. Ottmar Franzen

Tel.: +49 (0) 6192 40 269 0
Email: ottmar.franzen@anxo-consulting.com

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