Frankreich: Regierungsumbildung

 Aktuelle wirtschaftliche Lage und Perspektive

 

 

22.03.2024 | Artikel von Steffen Helm

 

Diese Handreichung enthält einen Abriss und die Einordnung der aktuellen Ereignisse in Frankreich sowie eine Einschätzung der weiteren Entwicklung.

  1. Die neue Regierung von Premierminister Gabriel Attal steht
  2. Von der Realität eingeholt
  3. Was steht auf dem Spiel? | Ausblick: Attraktivität Frankreichs

 

1. Die neue Regierung von Premierminister Gabriel Attal steht:

Was ist die politische Tragweite?
Emmanuel Macron hat Gabriel Attal am 11. Januar 2024 zum neuen Premierminister ernannt.
Seit das Mitte Bündnis bei den Parlamentswahlen im Juni 2022 die absolute Mehrheit verloren hat, regiert Emmanuel Macron mit Ad-Hoc-Mehrheiten und mit Hilfe von Verfassungsartikel 49.3, der es ermöglicht, Gesetze ohne parlamentarische Abstimmung durchzusetzen.
Leidtragende ist die in Ungnade gefallene Elisabeth Borne, die nun von dem erst 34 Jahre jungen und sehr populären politischen Shooting Star Attal abgelöst wurde.
Macron verspricht sich davon neuen Schwung, insbesondere im Hinblick auf die nahenden Europawahlen, wo aktuelle Umfragen einen Sieg der Rechtsextremen „Rassemblement National“ (RN) prognostizieren.

Die Wahl des EU-Parlaments gilt als innenpolitischer Gradmesser für die Parteien im Hinblick auf die Wahlen in Frankreich in 2027, wo Macron nicht wieder antreten kann.
Die Zusammensetzung der neuen Regierung zeigt einen Rechtsruck mit konservativer Ausrichtung.
Potentielle Kandidaten zur Nachfolge Macrons bringen sich in Stellung.


Was sind die unmittelbaren finanz- und wirtschaftspolitischen Konsequenzen?
Bruno Lemaire bleibt Wirtschafts- und Finanzminister und erhält zusätzlich das Ressort “Energie“.
Seit sieben Jahren im Amt und nun an der Spitze dieses Superministeriums ist er das politische Schwergewicht der Regierung und aufgrund der anstehenden Themen für Macron nahezu unabkömmlich.
Er spricht fließend Deutsch und ist bestens in Deutschland vernetzt.
In der Industriepolitik, die in Frankreich stärkerem politischen Einfluss unterliegt als in Deutschland sowie in der Energiepolitik, wo Frankreich seine Atominteressen in den Vordergrund stellt, sind harte deutsch-französische Diskussionen vorprogrammiert.

Die Sanierung des Staatshaushaltes hat Priorität. Le Maire setzt den Rotstift an: für 2025 müssen noch 12 Mrd. Euro an Einsparungen gefunden werden.
Er schwört auf harte Zeiten und konsequentes Handeln ein.
Die Zeiten der notwendigen Staatshilfen (Inflation, Energiepreise) die Frankreich erfolgreicher als die meisten europäischen Länder aus der Krise geführt haben, seien nun vorbei.
Das vom Parlament genehmigte Haushaltsdefizit für 2024 beträgt 4.4%, für 2027 sind 3% geplant.
Politisch brisant ist dabei das Thema Kaufkraft, das Wirtschaftswachstum in Zeiten von Sparkursen erfordert.

Das Weiterführen des Reformkurses wurde von E. Macron anlässlich seiner Pressekonferenz am 16. Januar unterstrichen. Ein Schwerpunkt sind die Reformen des Arbeitsmarktes.
Die Arbeitslosenquote, die sich auf einem historisch niedrigen Stand von 7% befindet, soll auf Vollbeschäftigungsniveau gesenkt werden, d.h. 5%.

 

2. Von der Realität eingeholt

Seit der Regierungsumbildung sind nur zwei Monate ins Land gegangen und Frankreich ist von der Realität eingeholt worden.

Korrektur der Wachstumsprognose
Die französische Regierung hat ihr geplantes Wachstum für 2024 von den ursprünglich veranschlag-ten 1.4% auf 1.0% gesenkt.
Diese Entscheidung wurde mit dem Konjunkturabschwung in China und Deutschland sowie dem geo-politischen Kontext rund um die Krisenherde in der Ukraine und im Nahen Osten gerechtfertigt.
Deutschland reduzierte nahezu zeitgleich seine Prognose von 1.3% auf 0.2%.
Die Europäische Kommission hatte unlängst die Wachstumsprognosen sowohl für Frankreich von 1.2% auf 0.9% als auch für Deutschland von 0.8% auf 0.3% gesenkt.

Einsparungen von 10 Mrd. €
Le Maire kündigte einen umfassenden Sparplan von 10 Mrd. Euro an, um die die Staatsausgaben zu reduzieren und damit das für 2024 geplante Haushaltsdefizit von 4.4% zu sichern. Diese Einsparun-gen sind zusätzlich zu den 12 Mrd. Euro, die bereits im Januar für das Jahr 2025 beschlossen wur-den.
Damit wird die 3% Grenze im Visier behalten, die zum Mandatsende 2027 erreicht werden soll.
Die Hälfte der Einsparungen soll auf die Betriebsausgaben der Ministerien entfallen. Am stärksten zur Kasse gebeten wurde das Umweltministerium, gefolgt von den Ressorts Arbeit und Bildung.
Le Maire betonte, dass er Steuererhöhungen nach wie vor kategorisch ablehnt.

 

3. Was steht auf dem Spiel? | Ausblick: Attraktivität Frankreichs

Auf dem Spiel stehen: Landesrating | EU-Stabilitätspakt
Ab dem 26. April 2024 werden zwei große Ratingagenturen im Anschluss an die Bonitätsprüfung das neue Länderrating Frankreichs veröffentlichen.
Die Staatsverschuldung, die im Sommer 2023 die Marke von 3.000 Mrd. Euro überschritten hat, setzt ihre stetige Entwicklung fort und erreichte Ende September 2023 3.088 Mrd. Euro – die endgültigen Zahlen für das Jahr 2023 werden erst Ende März 2024 bekannt gegeben.

Anschließend muss Frankreich der Europäischen Kommission seinen Aktionsplan vorlegen, zu dem ihn der Stabilität- und Wachstumspakt, der die gemeinsamen Haushaltsregeln festlegt, verpflichtet.
Dieser erfordert eine Begrenzung der öffentlichen Verschuldung auf 60% des BIP – bei einer Schul-denstandsquote von 111,7% Ende September 2023 – und ein Haushaltsdefizit unter 3% des BIP.
Der Weg dahin erfordert weitere Einschnitte, wie der Wirtschaftsminister bei einer Parlamentsanhö-rung am 6. März einräumte: anstatt der 12 Mrd. Euro seien für 2025 schließlich 20 Mrd. € an Spar-maßnahmen notwendig.

Positiv ist, dass Frankreich sich heute problemlos an den Kapitalmärkten finanzieren kann, der Appetit auf französische Staatsanleihen ist ungebrochen.
Der Trend zu niedrigeren Zinsen kommt Macron zugute, wenn er sich, wie prognostiziert, so fortsetzt.


Ausblick: Attraktivität Frankreichs
Die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Frankreich hat sich auch 2023 bestätigt.
Die Ende Februar veröffentlichte Pressemeldung der staatlichen Agentur „Business France“ belegt, dass Frankreich in Europa die meisten Investoren, gemessen an der Zahl der Investitionsprojekte, für sich gewinnen konnte.
Deutschland ist dabei hinter den USA der zweitgrößte Investor.

Geopolitische Zwänge führen Deutschland die Standortvorteile des politisch stabilen Nachbarlands vor Augen, das mit seiner guten Infrastruktur und qualifizierten Arbeitskräften punktet und einen großes Marktpotential bietet.  

Mit seinen im Europavergleich niedrigen Energiekosten, eröffnet Frankreich besonders interessante Perspektiven für Industrieunternehmen.

Beschleunigte Strukturreformen, flankiert von Bürokratieabbau, sollten die Attraktivität für Investoren weiter steigern.

 

Quelle:
[1] Business France: "La France consolide son attractivité dans un contexte mondial instable"  29.02.2024

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