POC Percentage of Completion

Hintergrund und Funktion von Umsatz- und Ergebnisrealisierungsmethoden

 

30.09.2021 | Artikel von Mischa Towfighi

 

Im Rahmen der Erstellung von Monats-, Quartals- oder Jahresabschlüssen ist die periodenbezogene Erfolgsermittlung ein zentrales Thema.

Dieser Unternehmenserfolg ist nicht nur die Bestätigung der Arbeitsergebnisse für die Berichtsperiode, sondern dient auch zur Bemessung von Ausschüttungen, Steuerzahlungen und ganz allgemein allen Stakeholdern zur Einschätzung der Wirtschaftskraft des Unternehmens.

Doch wann entsteht z.B. bei einem langfristigen Fertigungsprojekt der Unternehmenserfolg? Die nachfolgenden Ausführungen sollen dazu dienen, die unterschiedlichen Ansätze besser zu verstehen.

 

Warum Umsatz- und Ergebnisrealisierung

Um eine Vergleichbarkeit der Betrachtungszeiträume herstellen zu können, bedarf es einer Konvention, welche Kosten und Erlöse einer Periode zugerechnet werden dürfen.

Denkbar wäre

  • Orientierung am Auslösen eines wirtschaftlichen Handelns
  • Bezug auf die Zahlung oder auch
  • Wann wurde geliefert

Das „Wann wurde geliefert“ ist ein Maßstab, den wir weiter verfolgen wollen. Dieser Maßstab zielt ab auf die Leistungserstellung und den sogenannten „Gefahrenübergang“.

Hierbei sind die Aspekte der wirtschaftlichen Tätigkeit einerseits sowie das Risikos des „zufälligen Untergangs“ andererseits in ein Gleichgewicht zu bringen. Der „zufällige Untergang“ ist ein Rechtsbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das Handelsrecht zielt auf dieses Risiko ab und setzt deshalb für die Umsatz- und Ergebnisrealisierung mit der Completed Contract-Methode entsprechende Hürden.

 

Methoden - Completed Contract

Bei der Completed Contract-Methode wird auf die abschließende Fertigstellung und Übergabe der Leistung abgezielt. Erst zu diesem Zeitpunkt wird für den Leistenden klar, ob und in welchem Umfang Leistungen abgerechnet werden können. Aufgrund von Gewährleistungsansprüchen, schlechter Leistung oder Verzug besteht bis zu diesem Zeitpunkt die Gefahr, dass Erlöse und (Schluss-) Zahlungen geringer ausfallen ggfs. sogar erhaltene Anzahlungen zu erstatten sind.

Bis Umsatz und Ertrag vereinnahmt (realisiert) werden, erfolgt ein bilanzieller Ausweis in den Vorräten als „unfertige Leistung“, ohne dass es zu einem Ergebnisausweis kommt.

Ein Beispiel: Findet die Abnahme einer gefertigten Produktionsmaschine am 31. Dezember statt, kann der Umsatz und der entsprechende Erfolg noch im alten Geschäftsjahr realisiert werden. Erfolgt die Abnahme erst am 1. Januar fallen Umsatz und Ertrag in das neue Geschäftsjahr. Der Unternehmenserfolg kann entsprechend unterschiedlich ausfallen und stark schwanken.

Diese starken Schwankungen ergeben sich vor allem im langfristigen Projektgeschäft (Schiffbau, Sondermaschinen oder auch in der Bauwirtschaft).

Unter der Completed Contract-Methode werden diese Geschäfte erst dann realisiert, wenn tatsächlich der komplette Leistungsumfang abgearbeitet ist. Unter Umständen erst nach jahrelanger Arbeit. 
Diese Praxis wird dem sogenannten „Vorsichtsprinzip“ (§ 252 I 4 HGB) und den „Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung“ gerecht, wonach Erlöse erst sehr spät (nach Ausschluss aller Risiken, wie des zufälligen Untergangs) und Kosten bereits mit ihrer Entstehung zu verbuchen sind. Vor allem im deutschsprachigen Rechtsraum kommt dieser Ansatz zur Anwendung.

 

Methoden - Percentage of Completion

Die POC-Methode folgt einer grundsätzlich anderen Methodik. Treibende Kraft ist hierbei nicht die Überlegung, welchen Risiken eine Leistung noch ausgesetzt sein könnte, sondern die Frage, welchen Teil der Wertschöpfung ein Unternehmen bereits erbracht hat, um diesen Teil bereits offen als Unternehmenserfolg auszuweisen.

Ein Beispiel: Der Bau eines Kreuzfahrtschiffes erfolgt über mehrere Jahre. Niemand wird dabei in Abrede stellen, dass sukzessive Wertschöpfung im Rahmen der Planung, des Rohbaus, der Einrichtung bis hin zur Lackierung erbracht wird.
Mittels der POC-Methode können diese Teilgewerke im Zuge einer kontinuierlichen Bewertung der aufgelaufenen Kosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten realisiert werden.
Durch dieses Verfahren ergibt sich eine Glättung und Verstetigung der Umsätze, die es den Stakeholdern eines Unternehmens leichter macht, die Nachhaltigkeit des Unternehmenserfolges einzuschätzen.
Es wird argumentiert, dass die Percentage of Completion-Methode den dahinterstehenden wirtschaftlichen Sachverhalt deutlicher abbildet. Dem gegenüber steht der Anspruch der (deutschen) Rechnungslegungsvorschriften nach einer kaufmännisch „vorsichtigen“ Bewertung.

POC wird typischerweise im angelsächsichen Rechtsgebiet angewandt und folgt auch dem Wunsch vieler Finanzinvestoren, die eine Verstetigung der Ergebnisse ausgewiesen haben möchten.
POC ist nach den handelsrechtlichen Vorschriften grundsätzlich nicht zugelassen. IAS 11 regelt dessen Anwendung nach internationalem Recht.

In den vergangenen Jahren hat sich im Zuge der Öffnung der deutschen Rechnungslegungsvorschriften (z.B.: BilMoG) eine Aufweichung des „Vorsichtsprinzips“ ergeben.
Voraussetzungen für die Anwendung der POC-Methode in handelsrechtlichen Jahresabschlüssen sind:

  • Konkreter Kundenauftrag liegt (unterschrieben!) vor
  • Größenordnung typischerweise größer als 100.000 EUR
  • Laufzeit überschreitet die Dauer eines Geschäftsjahres
  • Verlässliche Schätzung der Kostenentwicklung ist möglich
     

Auswirkungen auf den POC-Alltag

Während sich bei der Completed Contract-Methode alle Effekte auf die Produktion im Zeitpunkt der Umsatzrealisierung in einem Vorgang niederschlagen, sind diese Einflüsse im Rahmen der Umsatzrealisierung nach der Percentage of Completion-Methode differenziert zu betrachten.

1. Kostenanstieg

Wir nehmen an, dass ein Produktionsauftrag einen festgeschriebenen Verkaufspreis hat und keine Möglichkeit zur Platzierung von Nachträgen oder Preisanpassungen bietet.
In diesem Fall führt die Preisanpassung dazu, dass die Bemessungsgröße „Gesamtkosten“ ansteigt, die Bezugsgröße „Erlöse“ aber unverändert bleibt. Mithin sinkt der Grad der Fertigstellung (POC) und der Unternehmenserfolg muss (nach unten) korrigiert werden.
Natürlich bedeutet diese Konstellation auch ein schlechteres Projektergebnis, da die Marge sinkt. Da dieser Effekt bei einem weit fortgeschrittenen Projekt einen besonders großen Hebel auf das Ergebnis hat, sind solche „späten“ Vorfälle besonders unangenehm.

2. Verzögerung der Projektfertigstellung

Zwar führen Verzögerungen nicht zwingend auch zu einem Anstieg der (Material-) Kosten, die Erfahrung lehrt aber, dass Verzögerungen regelmäßig erhöhte Regie-Kosten nach sich ziehen.
Unter der Prämisse, dass die damit verbundenen Erlöse unverändert bleiben, führt das wiederum zu einer Reduktion des POC-Fertigstellungsgrades (und zu einer sinkenden Marge).

3. Nachträge

Nachträge wirken sich in zwei Richtungen aus: Typischerweise geht der Mehrerlös Hand-in-Hand mit zusätzlichen Kosten. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass die Relation zwischen Aufwand und Ertrag dem ursprünglichen Verhältnis aus der Kalkulation des Ur-Angebots entspricht. Liegt die Marge des Nachtrags unterhalb der Originalmarge, kommt es zu einer Verwässerung und die Gesamtmarge des Projektes sinkt. Demnach ist auch die POC-Bewertung anzupassen und eine Ergebniskorrektur durchzuführen. Bei einer Margenverbesserung kann das POC-Ergebnis verbessert werden.

4. Preisminderungen

Preisminderungen haben eine unmittelbare Auswirkung auf die Marge. Da sie typischerweise nicht auch die Kosten reduzieren, gerät die ursprünglich vereinbarte Marge unter Druck und es kommt zu einem negativen Effekt für die POC-Bewertung.

 

Zusammenfassung

Mittels der POC-Methode können Unternehmen unliebsame Effekte vermeiden, die sich aus der langfristigen Fertigung ergeben. Jahre ohne Erträge aber mit Kumulierung von Kosten werden ersetzt durch eine gleichlaufende Kosten- und Ertragsentwicklung, die einen entsprechenden Ergebniseffekt mit sich bringt. Zu beachten ist allerdings, dass positive und negative POC-Effekte unmittelbar erfolgswirksam sind und sich auf den Jahresüberschuss eines Unternehmens niederschlagen. Jedenfalls lässt sich mittels der POC-Methode eine extreme ergebnismäßige Schwankungsbreite vermeiden, da hier stärker auf dahinter stehende wirtschaftliche Sachverhalte abgestellt wird. Für Investoren sicherlich auch ein nicht zu vernachlässigender Aspekt.

 

 

ANXO. Wir verändern Ihre Welt.

Ihr Ansprechpartner Mischa Towfighi

Tel.: +49 (0) 6192 40 269 0
E-Mail: mischa.towfighi@anxo-consulting.com

Erfahren Sie mehr über Mischa Towfighi


Weitere spannende Artikel zu diesem Thema:

Controlling als Instrument der Krisenvermeidung

Liquiditätsplanung