Sortimentskomplexität in Handelsunternehmen

Wie Sie Ihr Sortimentsportfolio im Griff behalten

 

Ralf Strehlau

 

Ein Handelsunternehmen kann nur dann langfristig erfolgreich sein, wenn es das richtige Sortimentsportfolio besitzt. Soweit, so gut. Doch was ist das „richtige“ Portfolio? Fest steht: nicht die Anzahl der Artikel, sondern die Auswahl ist letztlich für den Erfolg eines Handelsformates entscheidend. Klingt einfach, doch die Praxis sieht anders aus!

Ein Beispiel aus unserer Projektarbeit: Die Einkäufer eines der größten Warenhäuser Deutschlands besitzen langjährige Erfahrung. Mit einem profunden Wissen in ihren jeweiligen Warenbereichen stellten diese das Sortiment zusammen, kombinierten Kern- und Profilierungsartikel sowie Aktionsware. Ihre Kollegen im Verkauf kümmerten sich um eine attraktive Vermarktung und Inszenierung am Point of Sale (POS). Und trotzdem: das Unternehmen X erreichte weder Umsatz- noch Renditeziele. Welche Probleme lagen im Sortiment?

Eigentlich genügt eine einfache Antwort: die Sortimentsstruktur war mittlerweile so komplex, dass sie nicht mehr zu managen war! D.h. das Sortimentsportfolio war weit entfernt von klar positionierten und profilierten Produkten und Dienstleistungen, ausgerichtet auf die Wahrnehmung, die Wünsche und das Verhalten der Kunden.

Im Warenwirtschaftssystem unseres Mandaten waren über 210.000 Artikelstammdaten angelegt, wobei durchschnittlich „nur“ ca. 85.000 Artikel als „aktiv“ gekennzeichnet waren. Die Sortiments-Hierarchie aktiver Artikel umfasste dabei sechs Ebenen, die sich immer weiter verzweigten – von mehr als 40 Warenabteilungen bis hin zu letztendlich im 52 Wochen-Durchschnitt betrachtet über 60.000 aktiven Detailnummern. Was waren die Gründe die dazu geführt haben, dass das Sortiment derart ausufern konnte?

  • Konflikte zwischen Einkauf und Vertrieb:
    Einkauf und Verkauf liegen manchmal so nah zusammen wie der Nord- und Südpol. Die beiden Funktionsbereiche unseres Mandanten kooperierten nicht, sondern „bekämpften“ sich gegenseitig. Die große Chance eines regelmäßigen Erfahrungsaustausches, dessen Ergebnisse die Sortimentsentscheidungen seitens der Einkäufer enorm erleichtern können, wurde leichtfertig vergeben.
  • Fehlendes Regelwerk:
    Die Aufgaben und die Rollenverteilung zwischen Einkauf und Vertrieb waren nicht klar definiert. Es fehlte ein klares, einheitliches und von allen akzeptiertes Regelwerk. Dadurch kam es zu Missverständnissen, „Machtkämpfen“ und fehlenden Zuständigkeiten, die letztendlich zu gravierenden Fehlentscheidungen hinsichtlich des Sortimentsportfolios führten.
  • Überladenes Controllingsystem:
    Selten wurden wir so mit Daten überflutet, wie es in diesem Projekt der Fall war. Selbst für uns wurde es zu einer Herkulesaufgabe, „Datenmüll“ von Informationen zu trennen. In der Vergangenheit wurde versäumt, sich auf die wenigen entscheidenden Kennzahlen zu einigen und die gesamt Steuerung einheitlich und für alle Einkäufer verbindlich danach auszurichten.
  • Unzureichende Systempflege:
    Eigentlich selbstverständlich, aber augenscheinlich ein riesiges Problem war das Löschen alter Artikel. Im Warenwirtschaftssystem befanden sich unzählige Artikel, die teilweise seit Jahren nicht mehr geführt wurden und im Laden zu finden waren. Hinzu kam, dass bestimmte Begriffe teilweise uneinheitlich verwendet wurden und jeder Einkäufer anscheinend seine individuelle Methode zur Systempflege entwickelt hatte.
  • Kein kontinuierlicher Optimierungsprozess des Sortiments:
    Ein gravierendes Problem bestand darin, dass kein einheitlicher und warenabteilungsübergreifender Prozess zur ständigen Optimierung des Sortimentsportfolios etabliert war. Dies führte zu unregelmäßigen Sortimentsanpassungen, die weder mit der Positionierungsstrategie, noch mit dem Portfolio konform waren. Außerdem fehlte dadurch ein Regelwerk, nachdem die Einkäufer die Anzahl der geführten Artikel systematisch steuern konnten.

Darüber hinaus wurden wesentliche strategische Gesichtspunkt nicht hinreichend berücksichtigt:

  • Die Definition eines fokussierten Zielmarktes basierend auf den Dimensionen Kundensegment, Kaufanlass und Kundenbedarf.
  • Die klare Positionierung als Leistungs- oder Preisführer.

Entsprechend muss die zentrale Entscheidung hinsichtlich der Sortimentsbreite (wie viele unterschiedliche Warengruppen) und der Sortimentstiefe (wie viele unterschiedliche Artikel innerhalb einer Warengruppe) getroffen werden. Des Weiteren sind Entscheidungen hinsichtlich des Sortimentsverbunds sowie ob

  • Markenartikel oder Handelsmarken,
  • Kern- und Neuheitenartikel,
  • Saison- oder Dauerartikel,
  • Ramsch-, Rand- oder Branchen fremde Artikel

ins Sortiment aufgenommen werden, erforderlich.

Die angeführten Entscheidungsmöglichkeiten setzen eine sorgfältige Analyse der Marktgegebenheiten und der potenziellen Käuferschichten sowie eine Analyse der Sortimentsgestaltung der Konkurrenzbetriebe (Stichwort: Benchmarking) voraus!

Erst eine genaue Zielmarktdefinition und die strategische Positionierung erlauben die systematische Ausrichtung von Sortimenten in Breite und Tiefe sowie die konkrete Festlegung von Preispositionierung und Preislage. Sie definieren einen verbindlichen Rahmen, in dessen Grenzen die Einkäufer Ihre Sortimentsentscheidungen treffen müssen. Umso klarer dieser Rahmen ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit eines „klaren“ Sortimentsportfolios.

Was sind demnach die zentralen Stellschrauben, um das Sortimentsportfolio im Griff zu behalten?

  • Sie verlieren sich nicht in der Sortimentsbreite, sondern konzentrieren sich und scheuen auch nicht vor Sortimentsreduktionen im Sinne einer klaren Positionierungsstrategie zurück.
  • Sie streichen konsequent alles aus dem Angebot, was beim Kunden nur geringes Interesse findet und / oder nur eine geringe Rendite aufweist.
  • Die Aufgaben- und Rollenverteilung zwischen Einkauf und Vertrieb ist verbindlich geregelt. Es sind Prozesse etabliert, die einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch fördern.
  • Das Einkaufscontrolling ist auf die zentralen Kennzahlen ausgerichtet und ermöglicht eine einheitliche Steuerung.
  • Ein Prozess zur kontinuierlichen Sortimentsoptimierung ist etabliert.

 

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