Achtsamkeit im Arbeitsalltag

Balsam für die Seele

Julia Hoffmann Graves

 

Achtsamkeit ist geradein – und das allein ist schon ein Widerspruch in sich. Während viele der mindfulness hinterherlaufen und versuchen, durch Yoga und Meditation am Arbeitsplatz schnell viel Geld zu verdienen, war das natürlich nicht im Sinne der Erfinder. Achtsamkeit ist eine Geisteshaltung, kein Konsumgut. Man kann es nicht kaufen und auch nicht vermarkten. Vielmehr ist Achtsamkeit die Art und Weise, wie wir unsere Wahrnehmungen und Gedanken in ruhige Bahnen lenken. Achtsamkeit ist etwas Intimes, etwas Privates – es ist, wie ich schaue, spreche, höre.

Achtsamkeit als philosophisches Prinzip kommt aus den kontemplativen Traditionen. Es beschreibt die Fähigkeit des Geistes, wieder zu dem Objekt der Kontemplation zurückzukehren. Konzentration dagegen ist die Fähigkeit, nicht von dem Objekt abzuschweifen. Achtsamkeit ist das in uns, was uns aufmerksam macht:"Hey, Du denkst ja wieder an etwas ganz anderes! Du wollest doch aufpassen!

 

"Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit.
Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es."
Thich Nhat Hanh

 

Man kann nicht achtsam sein, wenn man nicht im Hier und Jetzt ist. Dies Prinzip aus dem Zen Buddhismus und der Gestalt-Psychotherapie bedeutet, dass man wach und aufmerksam seinen Körper spürt und mental wahrnimmt, was man mit den Sinnesorganen sieht, hört, etc. Das klingt nicht besonders revolutionär, bis man einmal beobachtet, ob man selbst im Hier und Jetzt ist oder ob die Gedanken abschweifen. Im Allgemeinen überrascht es Menschen sehr festzustellen, dass sie fast nie das sehen, was sie vor Augen haben oder hören, was sich um sie herum abspielt. Wenn wir ehrlich mit uns sind, dann sind wir die meiste Zeit von inneren Bildern und einem kräftigen inneren Dialog in den Bann gezogen.

 

Der Geist des Anfängers

Dies steht im Zusammenhang mit dem, was im Zen Buddhismus der Geist des Anfängers heißt. Das ist die Fähigkeit, Dinge ganz einfach und vorurteilsfrei zu betrachten wie ein kleines Kind. Man könnte sagen, es ist unser Geisteszustand, wenn wir alles vergessen, was wir wissen, wenn wir alles Fachwissen und alle Expertise loslassen können. Wie mir mal ein Geologie-Professor sagte "Wenn Du willst, gebe ich Dir eine Doktorarbeit (ich studierte Medizin, nicht Geologie). Anfänger haben die besten Ideen und finden die kreativsten Lösungen. Sobald sie dann ein paar Semester studieren, dann sind sie schon Teil des Systems und denken nur daran, was alles nicht machbar ist."

Der Geist des Anfängers ist so ähnlich wie gutes, kindliches Staunen – wie das eines Kindes, was zum ersten Mal einen kerzenerleuchteten Weihnachtsbaum sieht. Wir können uns darin täglich üben, in dem wir z.B. auf dem Weg zur Arbeit einen Moment nehmen, um etwas in der Natur zu bestaunen – ohne es zu werten oder zu analysieren – wie z.B. eine Wolke, die Farbendes Sonnenaufgangs, oder das Glitzern des ersten Lichtes auf den Tautropfen oder den Raureif. Objekte aus der Natur sind besonders nützlich dabei. Und in der Mittagspause kann man vielleicht einmal kurz heraus in den Park und dort einen Baum oder eine Blume kontemplativ betrachten. Solche kleinen Gedankenpausen verändern den Tagesablauf nachhaltig qualitativ.

 

Zur Illustrierung kann ich erzählen, dass ich mich auch leicht dabei ertappe, in Gedanken schon den nächsten Kurs oder die nächste Rede durchzugehen, wenn ich mich z.B. in New York City früh morgens per Bus zur Fähre nach Manhattan durchschlage. Wenn ich dann einen Moment nehme, um mir den Himmel oder das Meer einfach anzusehen und die Gedanken, die in meinem Geiste herumwimmeln loszulassen, dann spüre ich plötzlich, wie sich Druckund Schmerz in meinem Kopf auflöst -der Keim eines Kopfschmerzes aus Anspannung. Und in diesem Moment zwischen den Gedanken der Planung wird mir bewusst, dass es alles nicht so wichtig ist und schon in gute Bahnen fallen wird.

Ich erinnere mich auch an einen meiner Lehrer in ganzheitlicher Medizin, Dr. Rudolph Ballentine. Er erzählte, wie er Achtsamkeit übte, um sein Lampenfieber bei seinem ersten großenFernsehinterview entgegenzuwirken. Er war so ruhig, dass dies den Moderator überraschte und er ihn fragte, wie er das denn mache? Dr. Ballentine erklärte ihm zu seiner großen Überraschung "Ich spüre meinen Atem". Überhaupt ist es vor jedem großen Auftritt sehr hilfreich, sich selbst zu spüren und ins Hier und Jetzt zurückzufinden. Dabei ist das Spüren des eigenen Atems das klassische Kontemplationsobjekt. Dieser sofortige zentrierende Effekt gibt Sicherheit und ist sehr erdend.

 

Man kann sagen, ein Moment von Achtsamkeit ist ein reality check. Es ist ein Wieder Zurückkommen zu dem, was ist. Dadurch lässt es Blasen von Sorgen, Projektionen, Wünschen, Missverständnissen und ähnlichem sofort platzen. Dadurch wird Leben und Arbeitsleben um vieles einfacher. Und so wird Achtsamkeit dann zum Balsam für die Seele.

 

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