Wie Sie Entscheidungsfallen umschiffen...

und Entscheidungen möglichst optimal vorbereiten können

Ralf Strehlau

 

Erwarten nicht so gut wie immer alle Mitarbeiter von ihrem Chef, dass er die richtigen Entscheidungen trifft? Und erwarten die Chefs ihrerseits nicht von ihren Mitarbeitern, dass diese selbstverantwortlich entscheiden?

Mit Entscheidungen legen wir fest, was wir tun (wollen). Diese basieren auf Zielen, Präferenzen, Wertvorstellungen, persönlichen Wünschen, etc. Und wir benötigen unbedingt Alternativen, zwischen denen wir wählen bzw. entscheiden können. So treffen wir jeden Tag viele Tausend Entscheidungen –die meisten davon unbewusst (!) – damit wir weiter vorankommen.

Auch in Unternehmen werden Tag für Tag viele Tausend, ja vielleicht sogar Millionen von Entscheidungen getroffen. Das Entscheiden ist somit eine zentrale Aufgabe in allen Unternehmen und ein maßgeblicher Erfolgsfaktor langfristiger Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit. Von besonderer Tragweite sind die weitreichenden, strategischen und grundsätzlichen Entscheidungen, die Führungskräfte und Top-Manager treffen.

Doch selbst „alte Hasen“ tappen immer wieder in Entscheidungsfallen. Sie lassen sich verführen vom Nächstliegenden und Bewährten. Sie stellen frühere Entscheidungen nicht (wirklich) infrage und nehmen Informationen selektiv wahr. Oft sind es Informationen im Unterbewusstsein der Entscheider, die für die Entscheidung hervorgeholt werden und die dann „Erfahrung“ heißen.

Wie kann die Entscheidungsqualität dennoch verbessert werden? Ob Entscheidungen eher systematisch vorbereitet oder nach Bauchgefühl (Intuition) getroffen werden – es passieren immer wieder ähnliche Fehler. Den einen und besten Weg zur perfekten Entscheidung gibt es nicht. Aber die nachfolgende Checkliste¹ gibt Ihnen wichtige Hinweise, die Sie beachten sollten und mit deren Hilfe Sie Ihre Entscheidungskompetenz trainieren können und bessere Entscheidungen finden.

 

Das ist im Entscheidungsprozess zu prüfen - die Denkhaltung:

1. Daten / Informationen, die (schon) vorliegen, werden zu hoch priorisiert / gewichtet

  • Ein Problemkomplex/Sachverhalt zur Entscheidungsfindung sollte immer unter mehreren und unterschiedlichen Aspekten beleuchtet/diskutiert werden
  • Es sollten bewusst/gezielt Gegenpositionen bezogen werden (Advocatus Diaboli!)
  • Man sollte einen Sachverhalt erst selbst umfassend durchdrungen haben, bevor die Informationen von anderen beleuchtet werden
  • Daten / Informationen sollten soweit möglich aus diversen Quellen stammen und / oder von unterschiedlichen Personen eingeholt werden.

 

2. Das war schon immer so! Menschen halten am Bestehenden fest

  • Nicht immer sind Veränderungen per se richtig. Oberste Priorität haben immer die Ziele, diese müssen unbedingt klar sein. Dann lässt sich prüfen, ob der Status quo zu diesen Zielen passt, oder die Zielerreichung behindert
  • Der Status quo sollte – wie auch alle anderen Alternativen – betrachtet und dann im Entscheidungsprozess systematisch bewertet werden
  • Hilfreich kann ein Gedankenexperiment sein: Angenommen der aktuelle Zustand wäre nicht schon die gelebte Realität: würden Sie ihn dann vielleicht als mögliche Alternative betrachten?
  • Wichtig ist: der Wandel vom Bestehenden zum Neuen ist immer mit einem enormen Aufwand verbunden. Deswegen darf er auf keinen Fall das einzige Kriterium im gesamten Entscheidungsprozess sein

 

3. Frühere Entscheidungen werden nicht revidiert / dürfen oder können nicht revidiert werden

  • In den Prozess der Entscheidungsfindung sollten optimaler Weise solche Menschen eingebunden werden, die mit den damit zusammenhängenden früheren Entscheidungen gar nichts zu tun haben
  • Es sollte deutlich aufgezeigt und für alle Beteiligten verständlich werden, welche Konsequenzen es hätte, wenn eine frühere (schlechte) Entscheidung revidiert wird – ökonomisch und emotional für die Betroffenen
  • Die Gründe / Ursachen müssen genau hinterfragt werden: Warum fällt eine Entscheidungsrevision so schwer? Wovor haben die Betroffenen Angst?
  • Von zentraler Bedeutung ist auch die Unternehmens-kultur: es darf keine „Fehlervermeidungskultur“ gefördert / unterstützt werden. Dann traut sich niemand mehr, falsche Entscheidungen zu revidieren

 

4. (Angeblich) passende Informationen bekommen - oft unbewusst - den Vorzug

  • Selbstkritische Haltung! Die vorgefasste Meinung sollte hinterfragt werden. Unterziehen Sie auch eine vermeintlich richtige Entscheidung durch Gegenargumente einer besonders kritischen Prüfung
  • Gibt es Informationen, Argumente und Fakten die klar gegen die vorgefasste Meinung sprechen? Was sind die Kern-Gegenargumente?
  • Es sollten nicht nur solche Mitarbeiter hinzugezogen werden, welche die vorgefasste Meinung bestätigen. Hilfreich ist die Meinung von Kritikern und/oder unbeteiligten Personen, die wenig über den Entscheidungsfall wissen

 

5. Bezugspunkt, Chancen vs. Gefahren - Wie ist die Entscheidungsfrage formuliert?

  • Eine Entscheidungsfrage sollte in unterschiedlichen Formen gestellt und beleuchtet werden. Alternative Formulierungen sind immer wichtig – insbesondere dann, wenn andere die Frage formuliert haben
  • In der Fragestellung sollten die positiven und negativen Aspekte in gleicher und möglichst „fairer“/objektiver Weise formuliert werden
  • Zusatz-Tipp: In Sensitivitätsanalysen mit optionalen Formulierungen kann die Robustheit von Entscheidungen relativ einfach überprüft werden

 

6. Schätzungen und Prognosen abgeben und bewerten

  • Bei Schätzungen und Prognosen insbesondere von Kennzahlen immer in Best Case und Worst Case Szenarien denken, um alle Extreme zu berücksichtigen
  • Möglichst viele Einflussfaktoren betrachten: Was führt alles zur Über- bzw. Unterschreitung von Extremen
  • Optimaler Weise die Meinung möglichst von Vielen einholen und entsprechend vorsichtig bewerten
  • Annahmen hinterfragen, die zur Formulierung des „Worst Case“ führen. Was sind die Gründe für die Wahl der „sicheren Seite“?
  • Unterschiedliche Statistiken, Analysen, Studien, etc. heranziehen. Hintergründe zu den Untersuchungen erfahren und kritisch hinterfragen. Mehr wissen über diejenigen einholen, die Schätzungen und Prognosen abgeben. Was sind beispielsweise ihre Motive?

 

7. Wichtige Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen im Entscheidungsprozess

  • Das Entscheidungsziel sollte klar und für alle verständlich formuliert werden: Was genau soll erreicht oder vermieden werden?
  • Die Bewertungs- oder Entscheidungskriterien sollten wohl überlegt sein und transparent beschrieben werden. Diese muss der Entscheider unbedingt für sich selbst entwickeln! Er sollte sich diese nicht durch andere (Interessenvertreter) „aufzwingen“ lassen
  • Die Bewertungs- und Entscheidungskriterien sollten sich nicht zu sehr gleichen. Sonst kann es schnell passieren, dass einzelne, übergeordnete Aspekte zu stark gewichtet werden
  • Entscheidungen brauchen Alternativen, aber zu viele blockieren den Entscheidungsprozess. Es sollte ganz deutlich werden, worin sich diese unterscheiden
  • Daten, Fakten und Informationen spielen eine wichtige Rolle für Entscheidungen – aber auch eine gefährliche. Warum? A) Sie werden oftmals einseitig ausgewählt, präsentiert und interpretiert. B) Sie werden meistens als „wahr“ hingenommen, obwohl Quellen und Messung teilweise gar nicht transparent sind. C) Schätzungen und Prognosen werden nicht hinterfragt. D) Wenn Fakten fehlen, werden Entscheidungen verzögert und/oder es bleibt alles, wie es ist
  • Viele Rahmenbedingungen können einen zentralen Einfluss auf die Entscheidung haben und bedingen sich zumeist auch gegenseitig: Messinstrumente, Frage-bögen, Methoden der Bewertung, Formulierung der Entscheidungsfrage oder Präsentation der Ergebnisse
  • Alternative Wahlmöglichkeiten werden zu starr beschrieben. Sie werden als zu vereinfachte „Entweder-Oder-Entscheidung“ aufbereitet. Kombinationen aus Vorteilen mehrerer Alternativen werden nicht zugelassen oder schlichtweg übersehen. Oder: Keine Alternative kann überzeugen; die Nachteile stehen im Fokus
  • Entscheidungen werden nicht am Sachverhalt selbst ausgerichtet. Sie werden z.B. unter Zeitdruck getroffen, oder weil alle Stakeholder zufrieden gestellt werden sollen; persönliche Eitelkeiten spielen die zentrale Rolle
  • „Die Zeit heilt alle Wunden“: Entscheidungen aussitzen, bis es einfach nichts mehr zu entscheiden gibt

 

Wie Sie sich auch entscheiden: Es geht immer darum, aus einer Fülle von Handlungsoptionen diejenige auszuwählen, die mit der größten Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass ein gewünschtes Ergebnis oder ein angestrebtes Ziel erreicht wird.

 

ANXO. Wir verändern Ihre Welt.

Quellen

[1] Vgl: Dr. Jürgen Fleig: Wie Denkgewohnheiten die Entscheidungsqualität gefährden, business-wissen.de (2011); business-wissen.de: Entscheidungsfallen (2011); Kai-Jürgen Litz: Die Entscheider-Bibel, Hanser Verlag (2009)

 

 

Ihr Ansprechpartner Ralf Strehlau

Tel.: +49 (0) 6192 40 269 0
Email: ralf.strehlau@anxo-consulting.com

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