Effektive Sanierung
IDW S 6 Gutachten ist vorhanden, aber wer macht jetzt eigentlich die Arbeit?
24.01.2025 | Artikel von Manuel Czwalina und Dagmar Strehlau
Die Stimmung der Unternehmen in Deutschland hat sich laut ifo Geschäftsklimaindex verschlechtert. Die Anzahl an Restrukturierungen und Sanierungen wird demzufolge nicht abflachen, sondern eher steigen. Sanierungskonzepte spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg vieler besonders kritischer Veränderungsprozesse. Für den Erfolg müssen diese Konzepte jedoch auch umgesetzt werden. Häufig werden für die Umsetzung Chief Restructuring Officers (CRO) eingesetzt.
Sanierungsgutachten nach IDW S 6: Grundlagen und Herausforderungen
Unternehmen in finanziellen Krisensituationen sind oft verpflichtet, ein Sanierungsgutachten gemäß IDW S 6 vorzulegen. Dies wird in der Regel von den finanzierenden Banken oder Investoren gefordert. Der vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) entwickelte Standard ist ein umfassender Leitfaden zur Erstellung eines belastbaren Sanierungskonzepts. Laut Bundesgerichtshof (BGH) muss ein solches Gutachten von einem unabhängigen Experten erstellt werden.
Ein essenzieller Bestandteil des IDW S 6 Gutachtens ist die Einbindung des Managements in die Beurteilung der Unternehmenslage. Der „Faktor Mensch“ spielt auch in der Sanierungsphase eine entscheidende Rolle: Ohne die aktive Mitwirkung und Akzeptanz des Managements und der Belegschaft bleiben selbst die besten Konzepte oft wirkungslos.
Die Rolle des Chief Restructuring Officers (CRO)
Im Rahmen eines Sanierungsgutachtens wird häufig empfohlen, einen CRO temporär einzusetzen. CROs sind erfahrene Führungspersönlichkeiten auf Top-Management-Ebene, die mit der operativen Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen betraut werden. Doch auch ohne formales Gutachten greifen Unternehmen in besonders herausfordernden Situationen auf CROs zurück, um umfassende Verantwortlichkeiten zu delegieren.
Unsere Erfahrung: Die richtige Wahl des CROs entscheidet über Erfolg oder Misserfolg
In unserer Rolle als Berater, Sparringspartner und Gutachtenersteller haben wir viele Restrukturierungs- und Sanierungsprojekte begleitet. Dabei zeigt sich immer wieder: Die Auswahl eines passenden CROs ist ein kritischer Erfolgsfaktor.
Es gibt einige grundlegende Eigenschaften, die jeder CRO mitbringen sollte. Hierzu gehören beispielsweise Schnelligkeit in der Entscheidungsfindung und Durchsetzungsfähigkeit. Doch darüber hinaus gibt es vier zentrale, oft übersehene Kriterien, die bei der Auswahl entscheidend sind:
1. Konzeptionist oder Umsetzer?
Der Zeitpunkt des CRO-Einsatzes ist entscheidend. Wenn ein Sanierungsgutachten bereits vorliegt, steht die Umsetzung im Vordergrund. Ein Kandidat, der stark in der Analyse, aber schwach in der praktischen Umsetzung ist, wäre hier fehl am Platz. Anders verhält es sich, wenn die Ursachenanaly-se noch aussteht. In diesem Fall ist ein analytisch starkes Profil gefragt, das strategische Konzepte entwickeln kann.
2. Teamplayer oder Alleinherrscher?
Die Anforderungen an den CRO variieren je nach Unternehmenskultur und -struktur. Handelt es sich um ein Familienunternehmen, in dem die Geschäftsführung bestehen bleibt? Oder steht ein Wechsel in der Gesellschafterstruktur bevor? Ein Teamplayer ist oft sinnvoll, wenn der CRO mit bestehendem Management und Gesellschaftern eng zusammenarbeiten muss. Interim-Manager hingegen sind häufig Einzelkämpfer. Ein gezieltes Team-Assessment (z. B. mit Tools wie GPOP) kann helfen, den passenden Kandidaten für die spezifische Teamdynamik auszuwählen.
3. Generalist oder Fachexperte?
Zwar benötigen CROs eine breite Erfahrung in allen Funktionsbereichen, doch spezifische Herausforderungen können eine Spezialisierung erfordern. Steht beispielsweise die Produktion im Fokus, ist ein CRO mit ausgewiesener Expertise in diesem Bereich die bessere Wahl.
4. Krisenphase als entscheidender Faktor
Die spezifische Phase der Krise hat maßgeblichen Einfluss auf die Anforderungen an einen CRO. Ein Veränderungsprozess, der vor einer möglichen Insolvenz eingeleitet wird, erfordert ein anderes Vor-gehen als die Steuerung des Unternehmens während einer bereits eingetretenen Insolvenz. In der frühen Krisenphase stehen präventive Maßnahmen, strategische Weichenstellungen und das Schaffen von Stabilität im Vordergrund. Hier ist ein CRO gefragt, der Erfahrung in der Entwicklung langfristiger Transformationsstrategien mitbringt.
Während einer Insolvenz hingegen dominieren operative Entscheidungen unter Zeitdruck, Liquiditäts-sicherung und Verhandlungen mit Gläubigern. Ein CRO, der ausschließlich in einer Phase – etwa der Insolvenzverwaltung – tätig ist, ist möglicherweise nicht die richtige Wahl, wenn das Unternehmen in einer anderen Phase der Krise steckt. Es ist daher entscheidend, die spezifische Krisenphase des Unternehmens zu analysieren und den CRO mit den passenden Fähigkeiten und Erfahrungen zu wählen.
Fazit: Die Auswahl des richtigen CROs ist entscheidend
Ein erfolgreiches Sanierungsprojekt steht und fällt mit der Umsetzung. Das beste Konzept bleibt ohne einen starken und geeigneten Umsetzer wirkungslos. Ein CRO, der sowohl die fachlichen als auch die zwischenmenschlichen Anforderungen erfüllt, kann den Unterschied machen.
Wir unterstützen Unternehmen nicht nur bei der Erstellung von Sanierungsgutachten, sondern auch bei der Auswahl und Integration eines passenden CROs. Unsere Erfahrung zeigt: Eine sorgfältige Planung und eine zielgerichtete Auswahl sind der Schlüssel zum Erfolg in kritischen Unternehmenssituationen.
Ihre Ansprechpartner

Manuel Czwalina
Manager

Dagmar Strehlau
Mitglied der Geschäftsführung
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