StaRUG

Hintergründe, Anforderungen und Chancen

 

 

27.04.2021 | Artikel von Mischa Towfighi

 

Aufgrund der Pandemie und vor dem Hintergrund des COVInsAG (Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz) und der damit verbundenen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist der Blick auf die Entwicklungen rund um das Insolvenzrecht etwas in den Hintergrund getreten. Jedoch sind weitreichende Änderungen in Kraft getreten.

 

Hintergründe des StaRUG

Generell gilt: Ein Unternehmen, das seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, wird als zahlungsunfähig bezeichnet und hat nach § 15a InsO unverzüglich Insolvenz anzumelden. Im Zuge der Corona-Maßnahmen wurde diese Pflicht des Geschäftsführers bis zum 01.10.2020 ausgesetzt. Diese Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde mit dem COVInsAG verlängert, so dass im Monat Januar 2021 kein Insolvenzantrag aufgrund von Zahlungsunfähigkeit gestellt werden musste, wenn:

  • die Zahlungsunfähigkeit pandemiebedingt eintrat,
  • ein Antrag auf Novemberhilfen gestellt wurde,
  • ein solcher Antrag nicht aussichtslos sowie
  • der Unterstützungsbetrag ausreichend ist, um die derzeit bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

 

Die relativ kurze Frist der Aussetzung allein für den Monat Januar 2021 beruhte auf der recht optimistischen Annahme, dass durch den Lockdown Ende 2020 zu Beginn des neuen Jahres wieder ein verhältnismäßig normales Leben ohne größere Beeinträchtigungen für die Wirtschaft geführt werden kann. Da dies nicht eingetreten ist, hat der Bundesrat die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach obigem Muster nun bis Ende April 2021 verlängert. Allerdings gilt dies nur für Firmen, die zwischen dem 1. November und dem 31. Dezember Antrag auf Corona-Hilfen gestellt haben und die Insolvenzreife mit Hilfe dieser Zahlungen abwenden können.

Bei diesen Rahmenbedingungen kommt der Liquiditätsplanung deshalb eine besondere Bedeutung zu und sollte von der Geschäftsleitung besonderer Aufmerksamkeit gewidmet werden. Der tägliche Blick auf den Kontoauszug reicht hierfür nicht aus.

 

Grundsätze der Liquiditätsplanung

Am 1. Januar ist das „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ in Kraft getreten. Im Allgemeinen wird es einfach kurz StaRUG genannt. StaRUG knüpft damit an die Regelungen des KonTraG und des § 91 (2) AktG an und überträgt diese auf alle Kapitalgesellschaften, unabhängig von ihrer Größe.

Was verbirgt sich hinter diesem Gesetz, das nun in aller Munde ist? „Das betrifft mich nicht, das ist doch nur ein Thema für Unternehmen in der Krise“ ist eine ebenso häufige wie falsche Einschätzung.

Das ist weit gefehlt, denn StaRUG bietet zwar neue Möglichkeiten im Sanierungsfall, fordert aber gleichzeitig einen viel größeren Weitblick von den Geschäftsleitern ein, um diese Möglichkeiten nutzen zu können.

Bereits mit Eintritt der Strategischen oder Umsatzkrise bietet StaRUG die ersten Handlungsoptionen. Diese Krise kann ein Frühindikator für eine spätere Insolvenz sein und ist häufig 1 bis 2 Jahre vorher zu sehen. Dieser Zeitrahmen wurde vom Gesetzgeber aufgegriffen und findet sich in den Voraussetzungen für die StaRUG-Nutzung wieder.

Somit ist es für die Geschäftsleiter (gemeint sind nach StaRUG üblicherweise die Organe der Gesellschaft) geboten, sich mit den Frühindikatoren und der eigenen Geschäftsentwicklung rechtzeitig auseinanderzusetzen, um sich alle Handlungsmöglichkeiten für den Fall einer Unternehmenskrise offen zu halten.

Die Werkzeuge, die StaRUG den Unternehmen in Aussicht stellt, sind vielfältig und wirkungsvoll. Von der Möglichkeit Forderungen und Vereinbarungen nachzuverhandeln über eine mehrheitliche Beschlussfassung der betroffenen Gläubiger (bisher war 100% Zustimmung erforderlich) bis zur Privilegierung von Finanzierung in der Krise, um nur einige zu nennen.

 

Voraussetzung für die Nutzung von StaRUG

Um sich die Handlungsoptionen nach StaRUG offen zu halten, müssen die Geschäftsleiter sicherstellen, dass der Horizont für ihr Risikomanagement einen Zeitraum von 24 Monaten umfasst. Dieser (Planungs-) Horizont wird bereits von vielen Unternehmen anhand einer, weit verbreiteten, 3-Jahresplanung abgedeckt. Ergänzend kommt jedoch hinzu, dieser Planung auch einem Stresstest zu unterziehen und evtl. Risikoszenarien zu benennen und mittels Simulationen deren Auswirkungen auf die Geschäftsentwicklung zu prognostizieren.

Bedingung für die Nutzung des neuen StaRUG-Regelwerkes sind

  • Aktuelle Zahlungsfähigkeit des Unternehmens
  • Keine Überschuldung in den nächsten 12 Monaten
  • Drohende Zahlungsunfähigkeit in den nächsten 24 Monaten

 

Die Zahlungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Unternehmen derzeit seinen Verbindlichkeiten im Wesentlichen fristgerecht nachkommen kann. Die laufende Rechtsprechung geht hier von einer mindestens 90 %-iden Deckung wobei eine Karenzfrist von 3 Wochen zugestanden wird.

Die bilanzielle Überschuldung ist gegeben, wenn die Vermögenswerte eines Unternehmens (Aktiva) geringer sind als die Passiva. In diesem Fall liegt rein rechnerisch ein negatives Eigenkapital vor. Eine Überschuldungsbilanz ist anhand der realisierbaren Vermögensgegenstände nach Liquidationswerten aufzustellen, welche den tatsächlichen Schulden gegenübergestellt werden.

Ein weiterer Aspekt des Überschuldungsbegriffs bezieht sich auf die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Kann eine positive Fortführungsprognose nicht gegeben werden, ist von der Überschuldung auszugehen.

Vor dem Hintergrund der Prognose der Zahlungsfähigkeit bei einer 24-monatigen Vorausschau wird deutlich, welche Rolle der ausreichende Planungs- und Überwachungshorizont mit Einführung des StaRUG für die Unternehmen und deren Geschäftsleiter künftig spielt.

 

Möglichkeiten nach StaRUG

Werden die genannten Voraussetzungen erfüllt, stellt sich die Frage, welche Werkzeuge ein Unternehmen nach StaRUG nutzen kann. Hierbei ist es zunächst wichtig die bisherige Praxis zu verstehen: ein Unternehmen, für das sich ein Engpass abzeichnete, hatte bislang lediglich zwei Möglichkeiten:

  • Im sogenannten konsensualen (außergerichtliche) Verfahren verhandelt das Unternehmen mit seinen Gläubigern und war auf die Kompromissbereitschaft seiner Gläubiger angewiesen
  • Als Eskalationsstufe konnte lediglich die Insolvenzanmeldung (gerichtliches Verfahren) als Drohkulisse für diese Verhandlungen angeführt werden. Eine Option, die erhebliche Öffentlichkeitswirkung entfaltete und, soweit nicht in Eigenverantwortung durchgeführt, der eigenen Regie entzogen war
     

StaRUG bietet bereits in der konsensualen Phase Druckmittel, die der Verhandlungsführer je nach Verhandlungsstand gestaffelt nutzen kann. Von der Einschaltung eines gerichtlich bestellten Restrukturierungsbeauftragten über eine nur 75%-ige Zustimmungspflicht der Gläubiger bis zur Genehmigung des Restrukturierungsplans durch das zuständige Gericht bietet StaRUG eine Vielzahl von Möglichkeiten eine Sanierung umzusetzen. Diese Maßnahmen können zunächst unter dem weitgehenden Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen.

Das StaRUG gerät bei der Verhandlung mit Arbeitnehmern an seine Grenzen. Der Gesetzgeber hat hier vorgesehen, diese Verhandlungsgruppe aus den Sanierungsoptionen nach StaRUG auszunehmen. Soll eine Sanierung oder Restrukturierung mittels Freisetzung von Arbeitnehmern erfolgen, so kann dies nur einvernehmlich oder im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfolgen.

 

Was ist zu tun

Zunächst empfiehlt sich eine Statusanalyse, um den Status Quo der Reporting- und Prognosestrukturen zu validieren. Diese Bestandsaufnahme sollte durch die Definition und den Aufbau eines adäquaten Risikofrühwarnsystems flankiert werden.

Zu diesem Zweck ist die Kenntnis relevanter KPIs, nach denen das Unternehmen gesteuert wird, von zentraler Bedeutung. Die regelmäßige Erhebung und Analyse dieser Informationen steht im Zentrum der laufenden Risikoanalyse.

Sind bereits erste Krisenanzeichen zu erkennen sind die Geschäftsleiter gefordert über die Auswahl der möglichen StaRUG-Werkzeuge zu entscheiden, wobei es sich um keine „entweder-oder“-Entscheidung handelt, sondern auch Kombinationen von Maßnahmen möglich sind, die auch im Verlauf der Verhandlung hinzugewählt werden können.

Es lohnt sich also, sich mit StaRUG eingehend zu beschäftigen, da nicht nur Unternehmen in der Krise betroffen sind, sondern sich vor allem Unternehmen mit mittelfristigem Handlungsbedarf ein breites Spektrum von Werkzeugen geboten wird.

 

 

Ihr Ansprechpartner Mischa Towfighi

Tel.: +49 (0) 6192 40 269 0
E-Mail: mischa.towfighi@anxo-consulting.com

Erfahren Sie mehr über Mischa Towfighi