Neuer IDW Standard (ES 16) auf der Zielgeraden

Mehr als Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement – Überblick und Einordnung

22.05.2025 | Artikel von Manuel Czwalina und Steffen Schneider (BBL)

Vier Jahre nach Einführung des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (Sta-RUG) wird der Fachausschuss Sanierung und Insolvenz (FAS) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) einen neuen Standard veröffentlichen. Der Standard liegt derzeit im Entwurf vor als „Ausgestaltung der Krisenfrüherkennung und des Krisenmanagements nach § 1 StaRUG(IDW ES 16)“.

Grundlage dieses Standards, so schon der Titel, ist § 1 StaRUG (§ 1 StaRUG – Einzelnorm), der von Organen der Geschäftsleitung juristischer Personen (bspw. GmbH und AG) und ähnlicher Rechtsträger (bspw. GmbH & Co. KG) verlangt, fortbestandgefährdende Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren, um proaktive Maßnahmen zur Reaktion und Stabilisierung des Unternehmens zu ergreifen. Allerdings ist vorausschauende Planung, unabhängig von Krisen, eine Selbstverständlichkeit.

Um den IDW ES 16 in seinen Grundzügen zu verstehen, ist ein Verständnis über fortbestandsgefährdende Entwicklungen, die Basis und der Prozess der Krisenfrüherkennung elementar.

Was wird unter fortbestandsgefährdenden Entwicklungen verstanden?

Die Krisenfrüherkennung dient der frühzeitigen Identifikation von Entwicklungen, die den Fortbestand eines Unternehmens gefährden könnten. Fortbestandsgefährdend sind gem. ES 16 alle Entwicklungen, die ohne Gegenmaßnahmen zu wesentlichen nachteiligen Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft führen und diese Entwicklung zu einer erheblichen Erhöhung oder zur Begründung eines Insolvenzrisikos führen können.

Essenziell ist, dass die Geschäftsleitung fortlaufend über wirtschaftliche Kennzahlen und Indikatoren informiert ist.

Was ist die Basis der Krisenfrüherkennung?

Ein zentraler Aspekt der Krisenfrüherkennung auf Basis des IDW ES 16 ist die Unternehmensplanung. Diese Planung soll zum Zeitpunkt der Erstellung realistische Erwartungen zur (Liquiditäts-)Entwicklung des Unternehmens abbilden. Wichtige Punkte hierzu sind:

1. Plausible Annahmen: Die Geschäftsleitung muss bei der Erstellung der Planung nachvollziehbare, konsistente und widerspruchsfreie Annahmen treffen. Diese Transparenz ist entscheidend, um das Vertrauen von Stakeholdern zu sichern und fundierte Entscheidungen zu treffen

2. Planungszeitraum: Die Planung sollte mindestens die nächsten zwölf Monate ab dem Beurteilungszeitpunkt abdecken. Ideal ist eine Planung über einen Zeitraum von 24 Monaten, da dies eine genauere Einschätzung der zukünftigen Unternehmensentwicklung ermöglicht. Unserer Erfahrung nach sollten jedoch auch die branchenüblichen Zyklen berücksichtigt werden

3. Szenarien und Anpassungsfähigkeit: Die Planung sollte verschiedene Szenarien berücksichtigen, um flexibel auf unerwartete Änderungen in der wirtschaftlichen Lage reagieren zu können. Unternehmen sollten in der Lage sein, die Planung regelmäßig zu überprüfen und anzupassen, um den aktuellen Gegebenheiten gerecht zu werden

 

Spätestens wenn die ersten Krisenindikatoren vorliegen, ist die Geschäftsleitung verpflichtet, eine über die bloße Beobachtung hinausgehende Krisenfrüherkennung einzurichten. Diese proaktive Maßnahme ermöglicht es, die erforderlichen Schritte rechtzeitig einzuleiten, bevor sich die Situation weiter zuspitzt.

Wie sieht der Prozess der Krisenfrüherkennung aus?

Der Prozess der Krisenfrüherkennung basiert auf der fortlaufenden Unternehmensplanung auf dessen Basis Risiken identifiziert, bewertet, gesteuert (mit Gegenmaßnahmen gemanagt), kommuniziert, überwacht und verbessert werden. Der Förderung einer geeigneten Risikokultur und die Einbeziehung der Organisation sind wichtige Eckpfeiler für die Krisenfrüherkennung.

 

Wenn eine fortbestandsgefährdende Entwicklung erkannt wird, ist ein effizientes Krisenmanagement erforderlich:

1. Situation analysieren: Die Geschäftsleitung muss die aktuelle wirtschaftliche Situation analysieren und die Ursachen für die Krise identifizieren. Dabei ist es wichtig zu prüfen, ob eine Insolvenzgefährdung vorliegt

2. Leitbild entwickeln: Ein klares Leitbild für die Zukunft des Unternehmens muss entwickelt werden, dass die Richtung und die Ziele der Sanierung definiert

Notwendige Maßnahmen: Im nächsten Schritt müssen konkrete Maßnahmen identifiziert werden, um die Insolvenzgefahr abzuwenden. Dazu gehören möglicherweise Kostensenkungen, Umstrukturierungen oder die Diversifizierung der Kundenbasis, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Erfahrungsgemäß stehen viele Unternehmenslenker vor der Herausforderung, dass notwendige Maßnahmen identifiziert wurden, die Umsetzung der Maßnahmen in der notwendigen Konse-quenz jedoch nicht einfach fällt

Der IDW ES 16 ist nicht nur Krisenfrüherkennung, sondern eine Selbstverständlichkeit

Zwar beziehen sich § 1 StaRUG und der IDW ES 16 auf Krisen und Risiken, aber im Sinne einer ordentlichen Unternehmenssteuerung sollte jedes Unternehmen vorausschauend planen.

Konkret sollte daher jede Organisation, unabhängig von ihrer Größe oder Branche, im Rahmen einer Unternehmensplanung mögliche Risiken mitberücksichtigen (Frühwarnsystem) und das Unternehmen in guten sowie in schlechten Zeiten steuern. Denn unerwartete Herausforderungen können jederzeit auftreten, und die Fähigkeit, diese Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln, ist entscheidend für den langfristigen Erfolg. Der IDW ES 16 verweist auch auf den IDW Standard zu Sanierungskonzepten (IDW S 6). Dieser bezieht sich wiederum auch auf wirtschaftliche Krisen, sieht aber in seiner Struktur eine allumfassende Unternehmensanalyse vor und bietet daher, auch außerhalb von Krisen, eine gute Grundlage für Planung und Steuerung.

Was, wenn nicht? Die Konsequenzen für die Geschäftsleitung

Das StaRUG selbst regelt keine rechtlichen Konsequenzen, falls eine Geschäftsleitung kein Frühwarnsystem vorhält. Allerdings finden sich solche Konsequenzen schon seit 1998 im Aktiengesetz: Danach müssen die Vorstände, wenn Sie von ihrer AG wegen Pflichtverletzungen in Anspruch genommen werden, beweisen, dass sie sorgfaltspflichtig gehandelt haben. Dieser Maßstab wird auch auf andere Rechtsträger, wie die GmbH angewandt und ist daher auch Grundlage für § 1 StaRUG. Der Beweis der Sorgfalt lässt sich aber besser, in manchem Kontext auch fast ausschließlich, nur mit einer ordentlichen Unternehmensplanung führen.

Ihr Ansprechpartner

Manuel Czwalina ist Project Manager bei der ANXO

Manuel Czwalina

Manager

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