Perfektion ist passé: Geschwindigkeit und Vereinfachung als kriti-scher Erfolgsfaktor in der VUCA-Welt

19.09.2025 | Artikel von Manuel Czwalina

Die Bauwirtschaft und die Automobilindustrie aktuell exemplarisch für eine Entwicklung, die längst alle Branchen betrifft: Probleme werden zu spät erkannt, notwendige Maßnahmen zu langsam eingeleitet.

Steigende Zinsen, hohe Materialpreise und Nachfragerückgänge haben viele Bauunternehmen innerhalb weniger Monate in die Insolvenz getrieben. Ähnlich ergeht es Automobilherstellern und -zulieferern. Die Umstellung auf Elektromobilität, volatile Rohstoffpreise und schwankende Absatzmärkte verlangen schnelle Entscheidungen – doch häufig verlangsamen komplexe Strukturen- und Entscheidungsmechanismen, Verwaltungsmentalitäten und systematische Fehleinschätzungen sowie ein überhöhter Perfektionsanspruch das notwendige Tempo. Zeitgleich wächst der Wettbewerbsdruck aus China, der die deutschen Autobauer zu einem Umdenken hin zu kürzeren Entwicklungszeiten und schlankeren Prozessen zwingt.

Beide Branchen verdeutlichen ein zentrales Muster in der heutigen Welt: Unternehmen, die statischere Umgebungen gewohnt waren, müssen jetzt unter zunehmenden VUCA-Bedingungen agieren.

VUCA in der Praxis – vier Dimensionen, vier Herausforderungen

VUCA steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. Es beschreibt ein dynamisches, unsicheres und komplexes Umfeld. Einige Beispiele für die vier Dimensionen:

  • Volatilität (Schwankungen): Bauunternehmen kämpfen mit sprunghaften Zinsentwicklungen und stark schwankenden Materialpreisen. Kalkulationen, die vor wenigen Monaten erstellt wurden, sind plötzlich nicht mehr tragfähig
  • Unsicherheit: Automobilzulieferer wissen nicht, wie schnell die Nachfrage nach E-Mobilität tatsächlich steigt – und müssen parallel noch Verbrennerteile produzieren. Absatzprognosen sind damit hochgradig unsicher
  • Komplexität: Globale Lieferketten, regulatorische Anforderungen und Abhängigkeiten von mehreren Stakeholdern machen Entscheidungen schwerfällig. Jede Anpassung zieht Kettenreaktionen nach sich
  • Ambiguität (Mehrdeutigkeit): Märkte senden widersprüchliche Signale – steigende Auftragseingänge in einem Quartal können gleichzeitig mit sinkenden Margen einhergehen. Was bedeutet das für die Strategie?

Für Unternehmen bedeutet ein VUCA-Szenario: Perfekte Antworten gibt es nicht – entscheidend sind Tempo und Klarheit.

Geschwindigkeit als Erfolgsfaktor

Unsere Erfahrung zeigt: Transformationen scheitern selten an den Maßnahmen – sie scheitern am Zögern. Ein Plan, der monatelang optimiert wird, ist bei seiner Umsetzung oft schon überholt. Währenddessen läuft Ertrag und Liquidität davon und Stakeholder wenden sich ab.

Gerade in VUCA-Umgebungen gilt: 80 % jetzt sind besser als 100 % zu spät. Wer schnelle, pragmatische Entscheidungen trifft, verschafft sich Handlungsspielraum und stärkt das Vertrauen von Kunden, Banken und Investoren.

Wenn eine Situation keine eindeutig richtige Entscheidung zulässt (Ambiguität), ist ein agilerer Entscheidungsprozess gefragt: Anstelle langwieriger Strategieentwicklung gewinnen Test-und-Lern-Ansätze an Bedeutung. Entscheidend sind dabei die frühzeitige Wahrnehmung von Signalen sowie die flexible Anpassung der Strategie.

Komplexität als stiller Margenkiller

Doch Geschwindigkeit allein reicht nicht. Viele Unternehmen binden ihre Ressourcen in unnötiger Komplexität:

  • Prozesslabyrinthe mit unklaren und unnötigen Schnittstellen
  • parallele Berichtslinien und / oder KPI-Flut
  • Eine hohe Vielfalt an Absatzkanälen, aber nur ein Bruchteil trägt maßgeblich zum Umsatz bei

Diese Strukturen sind nicht nur unübersichtlich – sie sind direkte Margenvernichter. Sie binden Ressourcen, verzögern Entscheidungen und senken die Ertragskraft.

Zur internen Komplexität kommt die externe hinzu: globale Lieferketten, geopolitische Spannungen und digitale Veränderungen wie KI oder Automatisierung.

Ansatzpunkte für Entscheider – Denkanstöße für mehr Geschwindigkeit und Vereinfachung

Geschwindigkeit und Vereinfachung beginnen im Kopf der Entscheider. Drei zentrale Denkrichtungen helfen, den eigenen Kurs zu hinterfragen:

1. Fokus schaffen

  • Ist unser Portfolio wirklich auf margenstarke Bereiche konzentriert – oder finanzieren wir Vielfalt, die keine signifikanten Erträge bringt?
  • Steuern wir mit wenigen, klaren KPIs – oder verlieren wir uns in Kennzahlenfriedhöfen?

2. Tempo erhöhen

  • Treffen wir Entscheidungen schnell genug, auch wenn nicht alle Informationen vorliegen – oder lähmt uns das Streben nach Perfektion?
  • Trauen wir uns, mit Pilotprojekten zu starten und laufend zu lernen – oder warten wir auf den „großen Wurf“?

3. Strukturen vereinfachen

  • Fördern unsere Entscheidungswege Klarheit und Geschwindigkeit – oder bremsen uns Gremien und Doppelstrukturen?
  • Haben wir Verantwortlichkeiten klar zugeordnet – oder dominieren Silos und Abstimmungsschlei-fen?

Diese Fragen sind keine To-do-Liste, sondern Einladung zum Perspektivwechsel. Wer sie ehrlich be-antwortet, schafft die Grundlage für bessere Performance und mehr Resilienz in einer VUCA-Welt.

Fazit

Die Beispiele aus Bauwirtschaft und Automobilzulieferindustrie verdeutlichen: Unternehmen in einer VUCA-Welt haben nicht mehr den Luxus, auf perfekte Lösungen zu warten oder Komplexität zu tolerieren.

In der VUCA-Welt gilt: Geschwindigkeit + Vereinfachung = Performance. Nur wer beides kombiniert, bleibt wettbewerbsfähig, stärkt die Ergebnisqualität und schafft die Basis für nachhaltigen Erfolg.

 

Ihr Ansprechpartner

Manuel Czwalina ist Project Manager bei der ANXO

Manuel Czwalina

Manager

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