Was weiß eigentlich die KI? – Ein Realitätscheck für Entscheider im Mittelstand
19.09.2025 | Artikel von Frank Petermann
Der KI-Mythos
An dem Thema KI ist heute kaum noch vorbeizukommen. Ob in Strategiepapieren, auf Konferenzen oder in den Medien – der Eindruck entsteht: Künstliche Intelligenz kann alles.
Manche stellen sich das so vor: Man gibt ein Problem ein – und die KI liefert eine Lösung. Egal ob Prozessoptimierung, Marketingkampagne oder Personalplanung – die KI „regelt das schon“.
Doch diese Erwartung führt in die Irre. Denn KI ist nicht gleich KI. Was die meisten vor Augen haben, sind generative Systeme wie ChatGPT, Claude oder MS Copilot. Diese erzeugen in Sekunden Texte, Konzepte oder Code – und wirken dadurch wie eine eierlegende Wollmilchsau.
Aber die entscheidende Frage lautet: Woher weiß die KI das eigentlich?
Was KI wirklich weiß – und was nicht
Um das zu verstehen, muss man einen Blick auf die Datenbasis werfen:
- Generative KI-Modelle wurden mit riesigen Mengen öffentlich verfügbarer Informationen trainiert – Webseiten, Artikel, Foren
- Diese werden logisch verknüpft. Welche Textbestandteile passen zu anderen? Welche Zusammenhänge sind typisch?
Das Ergebnis: plausible, logisch von den vorhandenen Informationen abgeleitete Antworten.
Doch genau hier liegt die Grenze.
Je spezieller Ihr Problem, desto weniger weiß die KI. Über Ihre Prozesse, Ihr besonderes Wissen über Ihre Kunden, Ihre IT-Landschaft oder Ihre Strategie hat die KI keinerlei Wissen – weil diese Informationen schlicht nicht öffentlich im Netz stehen.
Wenn sie trotzdem eine Antwort gibt, basiert diese oft auf Annäherungen bestenfalls aus anderen passenden Beispielen. Kann passen, muss aber nicht.
Die KI füllt Lücken mit dem, was ihr am wahrscheinlichsten erscheint. Das führt zu den berüchtigten „Halluzinationen“. Nicht, weil die KI Unsinn erfinden will, sondern weil ihr schlicht die relevanten Daten fehlen.
Allgemeines vs. Firmenspezifisches – der entscheidende Unterschied
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen:
- Allgemeine Themen
Für Standardaufgaben wie Textformulierung, Zusammenfassung von Protokollen, Ideensammlungen oder klassische Methodenbeschreibungen ist die generative KI ein starkes Werkzeug. Sie spart Zeit und liefert in Sekunden nützliche Ergebnisse - Firmenspezifische Themen
Sobald es um Ihr Unternehmen geht – Ihre Prozesse, Ihre Zahlen, Ihre Strategie – stößt die KI an Grenzen. Sie kennt Ihr Geschäftsmodell nicht im Detail, Ihre Marktstellung nicht, Ihre internen Rahmenbedingungen nicht
Das Ergebnis:
Antworten, die möglicherweise gut klingen, können an der Realität vorbeigehen. Für Entscheider kann das riskant sein: Wer sich zu stark auf generische KI-Antworten verlässt, bekommt Lösungen, die vielleicht zum Lehrbuch passen – aber nicht zum eigenen Unternehmen.
Was Führungskräfte daraus lernen sollten
Generative KI in der Rohform ist kein fertiges Werkzeug für Ihre spezifischen Herausforderungen.
Um echte Relevanz zu schaffen, braucht es einen Denkrahmen:
- Die KI muss mit firmenspezifischen Informationen angereichert werden
- Die Nutzung muss so gesteuert werden, dass keine falschen „Ergänzungen“ entstehen
- Fachbereiche, IT und Management müssen gemeinsam entscheiden, wo KI sinnvoll unterstützen soll – und für sich klären, wo und wie intensiv die KI auf die Firmenspezifika trainiert werden muss
Das bedeutet: Wer KI im Unternehmen einsetzt, sollte sie nicht als Wundertüte betrachten, sondern als Werkzeug, das nur so gut ist, wie die Informationen, die es bekommt.
Wege zur relevanten KI-Nutzung im Mittelstand
Die gute Nachricht: Es gibt erprobte Ansätze, um KI firmenspezifisch und wirksam zu machen. Einige Beispiele:
- Integration interner Wissensquellen
Dokumente, Datenbanken, Projektberichte oder Handbücher können als Kontext für die KI genutzt werden. Dadurch liefert sie Antworten, die näher an Ihrer Realität liegen. Das ist die übliche Vorgehensweise, um der KI schnell Wissen mitzugeben. Das Ergebnis sollte dennoch kritisch überprüft werden - Use-Case-orientiertes Vorgehen
Statt „Wir machen jetzt KI“, lieber konkrete Anwendungsfälle definieren: z. B. automatische Erstellung von Kundenberichten, Auswertung von Supportanfragen oder der Forecast im Finanzwesen. Der KI-Nutzung wird spezifisch so angepasst und mit Kontext angereichert, dass das korrekte Ergebnis geliefert wird. Ganz wie gewünscht - Retrieval-Augmented Generation (RAG)
Ein technischer Ansatz, bei dem die KI nicht blind aus ihrem Trainingswissen antwortet, sondern gezielt Informationen aus Ihren Quellen abruft und sich diese nicht mit beliebig anderen Informationen mischt. Das verhindert Halluzinationen und erhöht die Relevanz. Dies ist hochrelevant bei Chatbots, von denen korrekte Antworten erwartet werden
Je nach dem gewählten Ansatz entsteht ein firmenspezifisches Lösungsdesign für Ihre KI-Lösung. Die dann auch die Ergebnisse liefert, die Sie sich wünschen.
Fazit: KI ist mächtig – aber nicht allwissend
Künstliche Intelligenz ist ein starkes Werkzeug – aber eben kein Alleskönner. Sie weiß nicht automatisch, wie Ihr Unternehmen funktioniert, welche Herausforderungen Sie haben oder welche Ziele Sie verfolgen.
Die entscheidende Frage lautet daher nicht: „Was weiß die KI?“
Sondern:
„Was bringen wir der KI bei, damit sie uns wirklich hilft?“
Für Sie als die Entscheider im Mittelstand bedeutet das: Es ist wichtig zu verstehen, wie KI im Grundsatz funktioniert. Das schafft Verständnis, das es mehr braucht als einen Prompt bei ChatGPT um zu verlässlichen Ergebnissen zu kommen. Es braucht ein klar vorbereitetes Spielfeld und ein gutes Training.
Das macht auch klar, dass manche Lösungen etwas mehr Zeit und Vorbereitung brauchen, als „nur“ den Browser anzuschmeißen, um von der KI die richtige Antwort zu bekommen.
Kleiner Tipp:
Fragen Sie doch mal die KI, was sie von Ihrem Unternehmen, Ihren Kunden oder Ihren Prozessen weiß. Je mehr Sie Fragen desto besser wird Ihre Einschätzung über die Fähigkeiten und auch die Grenzen der KI.
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